Zwei Boote
Kurz vor dem Untergang. So sieht es aus. Die fremde Frau sagte mir: Diese Boote lagen schon im letzten Jahr hier. Ein Dauerzustand. Du und ich. Du wolltest ein Wir und ich wollte mehr. Und jetzt taucht dieses ‚weißt-du-noch‘ auf. Diese Zeitform, die es zu analysieren gilt. Für Dich und für mich und diese Welt, die global geworden ist, so sehr, dass wir uns nicht mehr rausreden können, dass wir Farbe bekennen müssen – nein, wollen, um uns vor dem Untergang zu retten. Du wolltest mit mir segeln, und ich bin nicht eingestiegen, habe deine Segeljacht verschmäht. Wer weiß, vielleicht hätte sie uns weggetragen. Dorthin, wo es gut gewesen wäre.
Wir haben zwei getrennte Boote bestiegen. Sie sind gestrandet, liegen am See, vertäut, aber immer noch brauchbar. Keine Angst vor der Zukunft. Immer wieder können wir die Boote vom Wasser befreien. Wie Sisyphos, der freudige Bergsteiger. Jeder Aufstieg neu und aussichtsreich. Also nehme ich die Schöpfkelle, leere die Boote, ziehe dich und dein Boot mit mir. Du hattest mir Atlantis versprochen, ich werde es für uns finden. Also: Leinen los!
Susanne I
Der Vater ging danach nicht mehr über die Grenze. Nicht mehr in Richtung Frankreich. Das war das Einzige, was er dazu sagte. Nur einmal ergänzte er, dass er in der Nähe der Loire gewesen sei. Vier Jahre Gefangenschaft nach kurzer Kriegszeit. Der Krieg. Siebzehn war er und krank sei er geworden. Diphterie habe er bekommen. Das war ein Glück, sagte er. So entkam er dem Töten.
Später würde er die politische Mitte suchen. Er fürchtete sich davor, dass die Demokratie verloren gehen könnte, wie damals. Nie wieder Krieg, das war ihm wichtig. Und nie wieder nach Frankreich. Die Grenze war nicht fern. Er fand eine Frau. Sie war eine Heimatvertriebene. Seine Tochter Susanne würde auf dem Gymnasium Latein statt Französisch wählen.
Susanne II
Lehrerin wollte sie werden. Sonderpädagogin. Zum Studieren verließ sie die Enge. Diese Enge der Heimat, die die Eltern nicht mehr verlassen wollten, die etwas mit Geborgenheit zu tun hatte. Endlich frei. Freiheit für alle. Auch für die, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen. Politik wird gemacht, Politik muss man selbst machen. Betreiben. Aktiv sein. Zum bestandenen Examen bekam sie einen Brief vom Ministerium. Sie wurde einbestellt. Ob es stimme, dass sie Mitglied der DKP sei. Ihr ausbleibendes Nein gab ihnen eine Antwort. Die Antwort bedeutete, dass sie das Referendariat nicht antreten durfte. Auch die GEW wollte nicht dagegen klagen. Man bedaure.
Gammertinger Schreibwerkstatt
Die Schreibwerkstatt für Erwachsene (ab 16) wendet sich an alle, die erlebte oder erfundene Geschichten, Gedanken und Erlebnisse in Worte fassen wollen. Jeder trägt einen „Erzähl-Schatz“ in sich, den er in der passenden Umgebung und unter Anleitung heben kann. Wir gehen zunächst spielerisch-kreativ an das Schreiben heran. Mit Hilfe von Schreibimpulsen wird das Gedachte nach außen getragen, aufs Blatt gebannt und geformt. Gleichzeitig wird das Rüst- und Handwerkszeug zum literarischen Schreiben erprobt und verfeinert. Jeder Teilnehmer sollte seine Texte sammeln und im Laufe der Zeit wird aus leeren Seiten ein eigenes Buch mit kurzen Geschichten oder Gedichten. Die Reflexion in der Runde beflügelt zudem die eigene Produktion.
Schreiberfahrung bei den Teilnehmern wird nicht vorausgesetzt.
Gabriele Loges ist freie Autorin und Bibliothekarin, studierte Germanistik und Philosophie in Tübingen und unterrichtet seit vielen Jahren Kreatives Schreiben.
Veranstalter: Akademie Laucherttal
Leitung: Gabriele Loges
Mitzubringen: Stift und leeres Schreibbuch oder -heft
Termin: Mittwoch, 15. März, 26. April, 10. Mai und 21. Juni 2017, von 17-19 Uhr
Ort: Altes Oberamt 72501 Gammertingen, Hohenzollernstraße 11
Teilnehmer: max. zehn Personen
Anmeldung: www.akademie-laucherttal.de
Literatur-Treff mit Gabriele Loges
VHS Burladingen 2017
An acht Abenden werden wir auch in diesem Jahr über verschiedene Romane gemeinsam diskutieren. Jeder Leser liest anders und kann seine Sicht den anderen mitteilen. Gemeinsam sieht man mehr, versteht man mehr. Die Figuren der Romane, ihre Geschichten und die Kunst der Darstellung werden im Gespräch beleuchtet. Der Blick beim Lesen von Literatur wird im Laufe der Zeit geschärft.
Es wird darum gebeten, die Bücher vor dem jeweiligen Abend zu lesen. Wir haben acht meist neuere Werke ausgesucht. Mit Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist wählten wir einen Klassiker der deutschen Literatur aus. Es ist ohne weiteres möglich, nur einzelne Abende zu besuchen. Wir wünschen wieder Freude und Anregung beim Lesen.
Benedikt Wells: Vom Ende der Einsamkeit
Dienstag, 7. Februar 2017, 19.30-21.00 Uhr
Mercè Rodoreda: Der Garten über dem Meer
Dienstag, 7. März 2017, 19.30-21.00 Uhr
Reinhard Kaiser-Mühlecker: Fremde Seele, dunkler Wald
Dienstag, 4. April 2017, 19.30-21.00 Uhr
Delphine de Vigan: Nach einer wahren Geschichte
Dienstag, 9. Mai 2017, 19.30-21.00 Uhr
Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas
Dienstag, 20. Juni 2017, 19.30-21.00 Uhr
Navid Kermani: Sozusagen Paris
Dienstag, 18. Juli 2017, 19.30-21.00 Uhr
Yann Martel: Die hohen Berge Portugals
Dienstag, 19. September 2017, 19.30-21.00 Uhr
Dagmar Leupold: Die Witwen, ein Abenteurerroman
Dienstag, 7. November 2017, 19.30-21.00 Uhr
VHS Burladingen (Am Bahnhof)