Es ist gut gegangen. Vor allem das Ergebnis bestimmt die familiäre Erinnerung. Der damals sechsfache Familienvater und unser Großvater, der im August 1914 mit 42 Jahren zum Landsturm eingezogen wurde, kam Anfang November 1918 wieder zurück. Stapelweise Feldpostkarten und Briefe von ihm und an ihn sind in der Familie verstreut erhalten geblieben. Die vier Jahre Angst und Sorge in der Mitte von Großmutter Rosas Leben, so lassen es die geschriebenen Botschaften vermuten, schweißte das Paar zusammen. Sechs Monate nach dem Krieg kam Aloisia auf die Welt. Fidelia, die Zweitjüngste, betonte gerne, sie sei noch gute Vorkriegsware.
Wir sind uns begegnet. Ein halbes Jahr nach meiner Geburt bist du gestorben, mit 81 Jahren. Auf deiner Todesanzeige trauern fünf deiner sieben Kinder. Eine Tochter, Schwester Benigna, war nicht lange vor dir auf dem Klosterfriedhof beigesetzt worden, dein Sohn Willi verunglückte 1936, am letzten Märztag, tödlich bei einem Motorradunfall. Im Jahr darauf starb dein Mann. Du warst gut zwanzig Jahre lang Witwe. Die Lebensdaten erzählen manches, aber es ist schwer, dein Denken und Fühlen zu rekonstruieren. Einige Familienmitglieder möchten nichts erzählen, weil sie nichts Falsches sagen wollen, du sollst Vater und Mutter ehren, anderes ist nicht eindeutig oder widerspricht sich sogar. Trotzdem, du hast uns, du hast mich geprägt. Möglicherweise habe ich zu spät nach dir gefragt. Ich habe dich zusammengetragen, ein unvollständiges Mosaik …
Auszug aus: Rosa, 14/18: Vier Jahre und ein Leben. In: Familienerinnerungen aus dem Großen Krieg: Beiträge von fünf Autoren und einem Maler. Meßkirch: Gmeiner, 2016, S. 36-63.